Magnificat RV611 von Antonio Vivaldi
Zum Chorwerk „Magnificat“:
Es entstand zwischen 1735 und 1739 während Vivaldis erneuter Tätigkeit am Ospedale della Pietà In diesem, wie in manchem anderen Werk lässt sich erkennen, welche Stimmlage seine Meisterschülerinnen zu der jeweiligen Zeit hatten – so gibt es z.B. beim Magnificat eine Fassung, die vorwiegend für Chor erstellt wurde, darin treten nur 2 Solisten (Sopran und Alt) auf; in einer (vermutlich) späteren Fassung sind die Solo-Arien deutlich erweitert und mit 5 Solisten (S1, S2, A, Tenor, Bass) besetzt.
Die Chorsätze des Werkes bleiben in beiden Fassungen unverändert.
Aus dem Vorwort zur Partitur des Carus-Verlags:
„Es handelt sich um Sätze von geraffter Prägnanz, klarer Diktion und fesselnder Thematik. Hymnische Akkordik kennzeichnet die Textteile Magnificat (Nr.1) und Suscepit Israel (Nr.7). Die nach alter Tradition zu besonderer Dramatik verpflichtenden Verse Fecit potentiam (Nr.4) und Deposuit (Nr.5) werden durch schlagkräftige Instrumentation bzw. durch einen kühnen Unisono-Satz dasgestellt. Das abschließende Gloria patri (Nr.9) greift geschickt auf den Werkanfang zurück und mündet in die „obligatorische“ Schlussfuge.“
Der Text des Magnificat ist der Lobgesang, den Maria beim Besuch von Elisabeth, Mutter von Johannes, dem Täufer, spricht (Lk. 1, 46-55) (mit Übersetzung):
Biographisches:
Antonio Vivaldi (1678-1741) lebte in Venedig, seiner Geburtsstadt, zu einer Zeit, in der dort das Musikleben ein hohes Niveau erreicht hatte. Er erhielt früh durch seinen Vater, selber Musiker, den ersten Geigenunterricht. Seine musikalische Ausbildung konnte er weiterhin vertiefen, obwohl er eine geistliche Laufbahn eingeschlagen hat. Im März 1703 wurde er zum Priester geweiht, wegen der rotblonden Haarfarbe »il prete rosso« genannt. Als Priester war er nur kurze Zeit aktiv tätig; dann erhielt er eine Stellung am Ospedale della Pietà als „Maestro di Violino“ (später als „M. de Concerti“).
Die „Ospedali“, die ursprünglich Waisen- und Armenhäuser waren, hatten durch Angliederung von Konservatorien eine Erweiterung erfahren, in denen vor allem Mädchen musikalisch sehr gut ausgebildet wurden. Vivaldi hatte in seiner langjährigen Tätigkeit am Ospedale della Pietà eine Vielzahl von Aufgaben: Musikunterricht, eigene solistische Tätigkeit, Chor- und Instrumentalgruppenleitung, Instrumentenpflege und vor allem Komponieren einer großen Anzahl von Konzerten und Chorwerken für die Schulkonzerte des Ospedale.
Insgesamt hat Vivaldi eine gewaltige Anzahl (etwa 770) von kirchenmusikalischen Werken, Solo-Konzerten, Sinfonien, Opern u.a.m. geschrieben. Trotz seiner großen Berühmtheit während seiner Hauptschaffenszeit, geriet Vivaldi gegen Ende seines Lebens ins musikalische Abseits und damit in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Er versuchte (vielleicht) durch seine letzte Reise 1740 nach Wien, dort noch einmal neu Fuß zu fassen, starb jedoch in Wien im Juli 1741 und wurde mit einem Armenbegräbnis beerdigt. Seine Werke gerieten in Vergessenheit.
Doch im Jahre 1926 begann durch eine unerwartete Entdeckung eine Vivaldi-Renaissance: Ein verarmtes Salesianerkloster im Piemont erbat von der Turiner Nationalbibliothek ein Gutachten über eine Materialiensammlung, die veräußert werden sollte. Die Sammlung stammte aus dem Nachlass der Genueser Familie Durazzo aus dem 18. Jh. Und der Musikforscher A. Gentili stellte fest, dass darunter 14 Bände mit bisher unbekannten Kompositionen von Antonio Vivaldi waren. Aufgrund eines Hinweises, dass dies nur der Teil einer viel größeren Sammlung war, suchte und fand Gentili schließlich 1927 die restlichen Bände im Besitz des Marchese G.M. Durazzo, des letzten lebenden Nachkommen der Familie. Alle Bände konnten für die Turiner Nationalbibliothek erworben werden. So stellt sich durch diese Wiederentdeckungen Vivaldis heute als eine der herausragenden Gestalten der Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts dar.
Magnificat anima mea Dominum,
Gloria Patri, Gloria filio et spirit sancto, sicut erat in principio et nunc et In saecula saeculorum. Amen.
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Meine Seele preist die Größe des Herrn,
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. |
Lit.: Antonio Vivaldi von M. Stegemann in „rowohlts monographien“, 1996 Almut Witzel, 1.10.2016